Tommy Roberts jr. läuft 700 Kilometer nach Berlin
Im August beschlossen TJ und sein Dad: Wir laufen am 19. September zu Fuß von Kempten nach Berlin - für einen Job. Nach sechs Wochen und 700 Kilometern werden sie bei Universal Music klingeln, um deren Unternehmensphilosophie beim Wort zu nehmen: „Wir müssen und wollen neue Rahmenbedingungen schaffen, um uns weiterhin auf das konzentrieren zu können, worum es uns vor allem anderen geht: Musik. Mehr als jemals zuvor setzen wir auf junge Künstler, die der Musik neue Impulse geben. Zukunft wird gemacht. Und wir machen das jetzt.“ (Zitat Universal Music)

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Mensch kieke, nur noch 29 Km, dann jibbet Molle mit Schuss...
Mi., 26. Oktober '05 - noch zwei Tage


(das Foto war gestern in den falschen Bericht gerutscht...)

Damit ihr nicht meint, wir sind nur noch einen Tag entfernt - gemeint ist auf dem Schild die Stadtgrenze. Kurz vor Michendorf ein zweites Schild, Berlin 49 Km, und wir hatten schon Angst, wir wären mal wieder im Kreis gelaufen... Berlin ist anscheinend größer als Überbach und die Stadtgrenzen eben verschieden weit entfernt. Egal, aber weit ist es nicht mehr, denn die Autokennzeichen mit dem „B“ (B wie Bald) werden immer mehr.
Meine persönliche „Skyline" sehe ich morgen, meine großartigen Freunde, auf die ich sechs Wochen verzichten musste. Ich werde morgen bestimmt Rekordtempo laufen, denn ihr alle seid mein erstes Highlight, eh’ es nach Berlin zu Universal geht.

Der Weg heute wie gestern immer schnurstracks gerade aus. Bei Kaiserwetter diese fantastischen Alleen mit herbstbunten Bäumen zu gehen, ist Balsam für die Seele. Die Gedanken wechseln sich ab, Ängste, wenn es nun doch nichts wird mit Universal, Glücksgefühle, wenn Mum und Kevin wild hupend mit dem WoMo an uns vorbeifahren, auf dem mein Name steht, und dann die schönsten Farben, die Herbst mir noch nie vorher so vor Augen malte. Es wird nun wirklich endlich Zeit anzukommen, damit wieder alles seinen geregelten Weg geht – falls man davon in einem Musikerleben sprechen kann.

Ganz lieb finde ich, dass Angela und Guido (kennt ihr ja jetzt bestimmt schon alle) uns auch heute begleiten und wieder versorgen mit Grillfleisch und super Berliner Kartoffelsalat (das Rezept hat Mum schon – für die nächste Party vom Harley Stammtisch).

Die letzte Woche geht nun langsam zu Ende, und ich kann noch gar nicht richtig zurückblicken, denn ich meine immer, es müsste so weitergehen (nicht unbedingt mit Laufen). Wahrscheinlich kommt es erst, wenn ich wieder zuhause binm mit Dad die mittlerweile über 2000 (zweitausend!!!) Fotos auswerten werde und die Erinnerungen zusammen mit meinem Tagebuch so langsam wieder kommen.

I love you the world (Zitat: Shania, meine Freundin aus Liechtenstein und gleichzeitig mein wahrscheinlich jüngster Fan, 7 Jahre)
Auf der Zielgeraden - und im Rücken die Zeit
Di., 25. Oktober '05 - Großer Fernsehtermin...

Die letzten Tage – und mein Puls ist nahe 200. Die Strecke heute war wie eine Zielgerade auf einer Rennstrecke, spulte so vor mich hin, doch mein ärgster Verfolger war die Zeit. Wir mussten dringend noch ein paar Kilometer gut machen, denn die letzte Etappe bis in den Osten von Berlin wird doch länger als wir gedacht haben.

Ein Kamerateam der ARD verabredete sich mit uns um 15.00 Uhr in Treuenbrietzen, und die konnten wir nun wirklich nicht warten lassen. Also Tempo machen – und der Schweiß lief bis dahin, wo die Sonne nie scheint. Mit allen Euren Mail wie Wind im Rücken, auch gerade von denen, die schreiben, "wir sind endlos traurig, in Berlin nicht dabei seien zu können." Ich werde spielen und singen, als ob ihr alle da seid! Hab' jetz schon Tränen in den Augen. Au, scheiße... Ich würd' Euch allen in Berlin gern in die Augen sehen. Bis zum letzten Schritt, bis zum letzen Akkord!

Aber weiter: Mum fragte uns, ob wir ins Wasser gefallen wären, so verschwitzt, wie wir ankamen. Doch irgendwie ist alles zu schaffen, besonders wenn man wie wir ein Ziel hat. So waren wir gegen 15.40 Uhr in unserem „Basis-Camp“ in Treuenbrietzen. Unsere Freunde Angela und Guido Mende (mit denen wir gestern schon zusammen waren) organisierten einen super Stellplatz für die Nacht und eine Grillfete mit weiteren Freunden.

Doch zunächst die Arbeit. Das TV-Teamwar nicht nur "nett", ich fühlte mich sofort wohl in ihrer Mitte. Der Dreh war überhaupt nicht stressig, denn „die Drei“ strahlten soviel Ruhe und Professionalität aus, dass die Zeit im Nu verflog. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Dreh mit ihnen am Freitag an unserem Ziel, der Universal.

Zurück im Camp brannte - hey sooo geil - schon ein Lagerfeuer. Steaks, Bratwürste und Hähnchenschenkel brutzelten. Es war fast wie im Sommer (ich meine den Allgäuer Sommer: 15 Grad bei leichtem Nieselregen), aber die Stimmung war „ehne Wolke, echt dufte, wa?" Wieder ein wunderschöner Abend, den uns Freunde einfach so gaben - einfach s, ohne Grund ohne Erwartung. Und diese "kleinen" Dinge sind's, die das garoße Leben ausmachen. - Es ist nicht der Lauf, den ich niemals vergessen werde, sondern die Menschen, die ich traf. Jeden Tag wieder.

Nebenbei suchten wir im Stadtplan den besten Weg von Kleinmachnow zur Universal in der Stralauer Allee. Wir werden unsere Laufstrecke für Freitag online einstellen, damit der eine oder andere aus Berlin und Umgebung zu uns stoßen kann, wenn er will.

So Freunde, ich bin heute echt im Eimer und hau mich jetzt sofort in die Falle. Seid mir bitte nicht böse, wenn ich nicht soviel berichte, aber manchmal muss ich selber erst einmal verdauen, was ich alles erleben darf.

Bis morgen, seid alle umarmt - Euer "ichkriegsbaldnichtmehraufdiereihe" TJ

Für mich ist das vollkommene irdische Glück, hungrig und durstig, von der Arbeit erschöpft, unter einem schattigen Apfelbaum einen voll gedeckten Tisch zu finden. – Christoph Douglas
Auf zu Kilometer Nr. 600
Mo., 24. Oktober '05 - Wittenberg: If I had a hammer...

Wieder mal Montag, aber dieses mal ein letzter zu Fuß. Das Wetter hält, es ist trocken, aber der Himmel wird zusehendst dunkler. Ich beschwere mich nun wirklich nicht nach diesen fünf schönen Wochen, aber Euch, die ihr nach Berlin kommt, wünsche ich zum Abschluss noch einmal einen herrlich goldenen Herbsttag im „Indian Summer“. Das Wochenende von Scharfenberg noch tief in den Knochen, aber mit den besten Eindrücken vom Gig im „Western Inn“ – es war ein kleines Stück Amerika – machten wir uns auf den Weg über Wittenberg nach Kropstädt

Durch die Lutherstadt Wittenberg? Aber nicht ohne die Schlosskirche mit der Kirchentür anzusehen, an die Martin Luther seine berühmten 95 Thesen angeschlagen hatte (siehe Bild). Gestern schrieb mir ein Freund sieben Thesen, die ich hätte anschlagen sollen und ich Euch nicht vorenthalten will:

1. Klingt nach Country, is' aber nicht so.

2. Klingt nicht nach Country, is' aber so.

3. Klingt nach guter amerikanischer Musik. Und is' so.

4. Klingt nicht wie "so" oder "so" - auch wenn Dir das andere so eintüten und predigen wollen.

5. Klingt nach Fernweh und Nähe, nach Land und Leuten, nach Liebe und Trauer, nach Beeindruckendem, nach Authentischem. Klingt wie Leben.

6. Entdecke selbst. Nimm Dir eine Gitarre, ein Herz. Häng die Nase in den Wind, und...

7. Klingt nach Liebe zur Musik. Ohne Schubladen und Scheren im Kopf. Und ist. Und bleibt.

Danke - ...aber wir habe Nägel und Hammer zuhause vergessen. Die Architektur der Kirche, der geschnitzte Altar und die bemalten Fenster, einfach grandios, aber die Straße rief wieder, und wie schon oft muss ich vieles im Web nachlesen. Wirklich schade, dass man speziell an solchen Orten so wenig Zeit hat.

Unser Ziel Kropstädt erreichten wir Nachmittag, und Ihr wisst jetzt bestimmt alle was kommt?, yeah! Mum hat mal wieder was aus dem Kochtopf gezaubert, das uns alle Strapazen vergessen ließ. Der Besuch von sehr guten Freunden, Angela und Guido Mende, rundete unseren Tag wunderbar ab, und so saßen wir bei Grog und Gebäck bis spät am Abend vor unserem WoMo. Leider fing es zu regnen an und wurde auch recht kalt, also schnell das Hymer geheizt und ab ins urgemütliche Innere, um noch ein paar Einzelheiten für den kommenden Tag besprochen. Unserer Agentur bescherte uns wieder jede Menge Pressetermine, darunter ein richtig großer Sender, die auch am Freitag vor Universal drehen wollen, und ich habe trotz sieben Jahren Bühnenerfahrung etwas kalte Füße. Aber wir freuen uns auf die, die unsere Geschichte in die Öffentlichkeit zu bringen.

Diese Tage erreichen uns viele Emails, in denen man unser „Experiment Familie“ bestaunt – und viele davon nehmen unseren Zusammenhalt, unser Teilen sogar zum Vorbild. Am Anfang sind wir "einfach so" losgelaufen - doch inzwischen weiß ich schon gar nicht mehr, was wir alles damit angerichtet haben - und vielleicht noch werden...

Ansonsten war es für uns ein „ganz normaler Montag“, und wieder muss ich den Vergleich mit Weihnachten als Kind bringen: „Wann ist es endlich Freitag?“ Dadurch, dass ich jetzt weiß, dass nicht nur viele von Euch sondern auch all meine Freunde aus der Band uns in Berlin erwarten, lässt das ganze erst recht unerträglich werden. Ich freu mich riesig, aber jetzt ist es genug mit Überraschungen, sonst halt ich das nicht länger aus, denn mein Herz zerspringt so langsam (hört ihr wie es schon knistert?).

Hoffentlich kann ich gut schlafen, denn ich denke an Euch alle und an das, was vielleicht noch alles kommen wird. – Euer TJ

Der Glückliche ist der Liebende: Lieben ist mehr als Besitzen. – Gertrud Höhler
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